Landesfachstelle Essstörungen NRW

In Nordrhein-Westfalen startete „Klang meines Körpers“ © – das Ausstellungsprojekt zur Prävention von Essstörungen – im Jahr 2009. Seither konnten wir das Projekt kontinuierlich fachlich begleiten und einen hochkonzentrierten, konstruktiven Entwicklungsprozess miterleben und mitgestalten.
Das Konzept überzeugt. Die Ausstellung selbst sowie das Begleit- und Arbeitsmaterial gründen sich in ihren Aussagen auf aktuelle fachliche Standards und geben differenzierte Informationen über die Hintergründe und Erscheinungsformen von Essstörungen.
Was uns an „Klang meines Körpers“ besonders überzeugt, ist das konsequente Aufnehmen und Ernstnehmen der Perspektive betroffener – oder besser erfahrener – junger Menschen. Fünf junge Frauen haben gemeinsam mit ihrer Musiktherapeutin Stephanie Lahusen die ursprüngliche Ausstellung entwickelt. Ebenso wurde die 2012 gestartete „Jungentafel“ in intensiver Zusammenarbeit mit einem jungen Mann entworfen, der seine eigenen Erfahrungen mit der Erkrankung einbrachte. Die jungen Menschen sprechen selbst. Sie zeigen ihre Bilder, ihre Texte, ihre Musik. Sie zeigen ihre Gedanken, Stimmungen und Gefühle in den schweren Zeiten der Erkrankung – und ihre ganz persönlichen Wege aus der Essstörung.
Bei mehreren Präsentationen von „Klang meines Körpers“, die ich miterleben durfte, war ich immer tief berührt. Ebenso habe ich das Publikum erlebt. Bevor man viel über diese Ausstellung schreibt, referiert oder erklärt, so dachte ich, sollte man sie einfach erleben.
Jugendliche fühlen sich offensichtlich direkt und unmittelbar angesprochen – als „Peers“, als Gleichaltrige verstehen sie: es geht bei dieser Ausstellung nicht um die Darstellung von „exotischen“ Symptomen und Verhaltensweisen „der Essgestörten“, wie dies oft in den Medien geschieht. Es geht auch nicht um bedrohliche Aufklärungs-Informationen über diese Krankheitsbilder, wie sie manchmal recht spektakulär dargestellt werden.
Über das Thema Essstörungen hinaus geht es in der Ausstellung um Pubertäts- und Adoleszenz-Themen im weiteren Sinn. Gleichzeitig versteht man sehr viel mehr und Tieferes von dem, was diese Erkrankungen betrifft. Es geht um Themen, die die meisten Jugendlichen kennen: sich einsam und unsicher zu fühlen, traurig und bedrückt zu sein; mit diesem plötzlich veränderten Körper zurechtkommen zu müssen; verwirrt und gestresst zu sein durch das Vergleichen und Bewertetwerden, gestresst durch Ängste und die Frage, ob man „richtig“ ist und dazugehört … unter Druck zu sein durch Anforderungen und Leistungen, die erwartet werden …
Jugendliche und junge Erwachsene mit Essstörungen haben oft Angst davor, wie Andere sie sehen. Schülerinnen und Schüler haben Angst davor, in ihre Klassen – z.B. nach einem Klinikaufenthalt – zurück zu kehren. Das Projekt vermittelt Respekt – sowohl vor dem Leidvollen als auch vor den beeindruckend kreativen Wegen der Einzelnen zur Überwindung ihrer Krisen und zur Überwindung der Essstörung.
Auch Eltern und Angehörige werden von der Ausstellung angesprochen. Essstörungen lösen oft Hilflosigkeit aus und Ärger – aber auch Schuldgefühle, eigene Ängste und Unsicherheiten. „Klang meines Körpers“ hilft, die Hintergründe und die Gefühle der Betroffenen besser zu verstehen. Das neueste Ausstellungsmodul „Was zählt?!“, das 2016 an den Start ging, wurde speziell für die Arbeit mit Eltern entwickelt. Auch dieses „Elternmodul“ ist in engem Austausch mit Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen und weiteren Fachkräften entstanden und zeigt, wie das Präventionsprojekt ständig weiterentwickelt und aktualisiert wird.
Im Konzept sind intensive Schulungen für die Fachleute vor Ort sowie für die begleitenden Pädagoginnen und Pädagogen verbindlich vorgesehen – auch dies ein besonderes Qualitätsmerkmal dieses Ausstellungsprojektes. Die Schulungen dienen der notwendigen Wissensvermittlung über Essstörungen und der Vermittlung der Arbeit mit den kreativen Medien. Darüber hinaus wird durch diese Schulungen die Vernetzung zwischen den Fachleuten und den wichtigen Bezugspersonen der Jugendlichen geknüpft und der Austausch angeregt.
Aus fachlicher Sicht ist es bei der Problematik der Essstörungen besonders wichtig, Präventionsaktivitäten direkt und konkret in die Kooperation mit den Hilfeangeboten vor Ort einzubinden, denn unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die durch die Ausstellung gehen, mag es Gefährdete und schon Erkrankte geben, die Hilfen brauchen.
Das Ausstellungsprojekt, das immer in enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen regionalen „Vernetzungsinitiative Essstörungen“ vorbereitet und koordiniert wird, stellt ein innovatives und zukunftweisendes Präventionskonzept für Nordrhein-Westfalen dar.
Wir wünschen „Klang meines Körpers NRW“ © viel Erfolg und freuen uns auf die weitere anregende und kreative Zusammenarbeit.

Maria Spahn, Ärztin für Psychiatrie
Landesfachstelle Essstörungen NRW