Jungenmodul "Kerkerkopf"
„Was mir geholfen hat, ist reden. Und reden lernen.“ (David)
Essstörungen bei Jungen nehmen zu und werden dennoch weitgehend tabuisiert. Betroffene männliche Jugendliche bleiben bislang noch allzu oft allein mit ihrer Erkrankung. Deshalb wurde die Ausstellung um ein Jungenmodul erweitert.
Entstanden ist das Modul zusammen mit Michael, der vor 25 Jahren an Magersucht erkrankte. Als er nach Entstehung der Basis-Ausstellung „Klang meines Körpers“ von dem Projekt erfuhr, entschied er, seine Vergangenheit nicht länger unter Verschluss zu halten. Er entschied, seine eigene Geschichte, all seine eindrucksvollen Texte, die gesammelten Gedanken aus der schweren Zeit seiner Krankheit zu teilen. Damit will er zeigen, dass Essstörungen kein reines Frauenthema sind, dass auch Jungs betroffen sein können. So entstand das Jungenmodul „Kerkerkopf“. Aus Michael wurde David. Seitdem können die Besucher*innen der Ausstellung auch in die Gedanken- und Gefühlswelt eines betroffenen Jungen eintauchen, auch die männliche Perspektive der Erkrankung erleben.
Aufbau
Das Jungenmodul besteht aus zwei Ausstellungstafeln und einer Öltonne
Die eine Ausstellungstafel zeigt eine Welt hinter Mauern und drückt Davids Sprachlosigkeit aus. Der von ihm beschriebene „Kerkerkopf“ mit den Mauerlippen, die er nicht „durchsprechen“ kann, wurde ins Bild gesetzt. David selbst sitzt unten an der Mauer, sein Hund als treuer Begleiter neben ihm. Mit den Freunden, die sich oben auf der Mauer getroffen haben, verbindet ihn sein Blick. Die Leiter nach oben kann er ebenso wenig wahrnehmen wie das Loch in der Mauer, das einen Ausweg symbolisiert. David ist gefangen in seiner Welt.
Die zweite Ausstellungstafel stellt Davids Weg aus der Essstörung dar. Aus dem „Kerkerkopf“ ist das Portrait eines jungen Mannes geworden, der in die Welt schaut. Die blaue Farbe der Mauer steht für Hoffnung, das Loch erlaubt einen Ausblick und bringt Licht in sein Leben. Fotos symbolisieren wichtige Schritte: Er hat sich auf den Weg gemacht, einen wahrhaftigen Kontakt zu seinen Freunden hergestellt, er öffnet sich, findet Resonanz, überwindet seine Sprachlosigkeit.
Neben der Mauer ist eine Öltonne platziert, die in ihrer Funktion den Schatzkisten der Mädchen entspricht. Auf dieser Öltonne hat David in bunten Farben seine „Lösungswörter“ festgehalten.
Impressionen
Mit seinem O-Ton Film geht Michael noch einen Schritt weiter. Er verlässt den Schutz der Anonymität und wird Sprachrohr vieler männlicher Betroffener. Denn auch wenn sie statistisch gesehen noch immer in der Minderzahl sind, leiden Jungs nicht weniger unter einer Essstörung. In einigen Aspekten ist der Leidensdruck sogar noch höher. Noch immer treffen Jungs und Männer mit dieser Erkrankung auf viel Unverständnis. Spezialisierte Anlaufstellen und Hilfsangebote sind rar.
Das will Michael ändern. Indem er in diesem Film seine eigene Geschichte erzählt, möchte er auf diese Missstände aufmerksam machen. Darüberhinaus hat er auch eine Selbsthilfegruppe für männliche Betroffene (“Pappsatt” in Düsseldorf) ins Leben gerufen.
In diesem Rahmen möchte er nun, lange Jahre nach seiner Erkrankung, Jungen und Männern Mut machen, über ihre Nöte und Ängste zu sprechen. Denn Reden, das offene Äußern von Gedanken und Gefühlen, fällt Betroffenen oft sehr schwer. So appelliert Michael an all die Jungs da draußen, die Sprachlosigkeit zu überwinden.
Darüber hinaus ist Michael mit seiner Selbsthilfegruppe “pappsatt” auch in folgendem Beitrag der Reihe 37 Grad zu sehen.